Alte Bekannte: Der Start
Nachdem Eddi im Frühjahr 2015 wise-guys-intern (und zu meiner totalen Überraschung) verlautbart hatte, dass er die Band definitiv verlassen werde, entschied ich mich, nach ein paar Wochen Bedenkzeit, bei meiner zuvor jahrelang geäußerten Haltung zu bleiben: Nämlich in diesem Fall ebenfalls auszusteigen. So war relativ schnell klar, dass sich die Wise Guys im Sommer 2017 auflösen würden.
Ich muss zugeben, dass ich nach dieser Entscheidung, also im Frühsommer 2015, persönlich zunächst in ein bodenloses Loch fiel. Ich hatte das Gefühl, dass "mein Lebenswerk" zerstört worden war, ohne dass ich irgendetwas dagegen hätte tun können. Und: Ich war tatsächlich vollkommen machtlos. Die Wise Guys mit dann nur noch zwei Gründungsmitgliedern (mit Sari und mir, die wir uns aber persönlich ohnehin nicht mehr wirklich nahestanden) unter dem selben Namen weiterlaufen zu lassen, hätte ich als üblen Etikettenschwindel empfunden, und das sehe ich auch heute noch so. Es hätte auch nicht funktioniert, denke ich. Die meisten Fans hätten sich nicht ganz zu Unrecht ein bisschen "verarscht" gefühlt.
Eine Zeit lang dachte ich darüber nach, als Solokünstler oder in ganz kleiner Besetzung mit Instrumenten weiterzumachen und ein Programm auf die Beine zu stellen, in dem ich alte und neue Songs im Singer/Songwriter-Stil präsentieren würde.
Grundsätzlich finde ich das auch heute noch eine ganz schöne Idee, aber nach einiger Zeit wurde mir klar, dass ich einerseits weiterhin gerne in einem echten Team musizieren wollen würde und dass ich andererseits, zu meiner eigenen Überraschung, die Darbietungsform "a cappella" immer noch total toll fand. Gerade, wenn jemandem die Texte so viel bedeuten wie mir, ist diese Art des Auftretens einfach das Schönste, und dazu kommt ja auch noch der Umstand, dass ich Harmonien, Mehrstimmigkeit und Geang liebe. Also entschloss ich mich dazu, der A-cappella-Musik auch nach den Wise Guys treu zu bleiben.
Da ich die Zusammenarbeit mit Nils Olfert, der 2009 bei den Wise Guys eingestiegen war, immer sehr genossen hatte, sowohl im Kreativ- und Studio- als auch im Tour-Alltag, war er der Erste, den ich fragte, ob er an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert wäre. Zu meiner großen Freude willigte er nach kurzer Bedenkzeit ein. Wir überlegten also zu zweit, wer noch in Frage käme, Teil unserer neuen, noch namenlosen A-cappella-Band zu werden, und waren uns schnell einig, dass wir Björn gerne als Bass am Start hätten. Er war uns in der Zeit, nachdem Andrea Figallo die Wise Guys sehr plötzlich verlassen hatte, als extrem guter Bass und sehr freundlicher Zeitgenosse ans Herz gewachsen.
Auch Björn sagte zu, nachdem er uns eine Weile hatte zappeln lassen, denn er hatte zu dieser Zeit einen festen Job beim Radio.
Jetzt brauchten wir "nur" noch zwei weitere Kollegen, denn es ergibt Sinn, als Quintett aufzutreten (auch wenn "mein" Manager Christoph Tettinger unter rein finanziellen Gesichtspunkten ein A-cappella-Terzett bevorzugt hätte...): Man hat live eine Hauptstimme und wahlweise drei Nebenstimmen sowie den Bass, der dann vielleicht parallel dazu noch die Beatbox übernimmt (Björn kann das, Clemens auch). Oder man leistet sich bei Songs, bei denen der Groove besonders wichtig ist, sogar den Luxus, die Beatbox, also das "Mundschlagzeug", komplett einem Sänger zu überlassen. Dann bleiben natürlich nur noch zwei Nebenstimmen übrig. So oder so: Ich persönlich finde fünf besser als vier oder sechs. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Eine "objektive" Antwort auf die ideale Größe eines Ensembles kann es nicht geben.
Nils und ich hatten dann den Geistesblitz, Ingo Wolfgarten zu fragen, ob er Lust auf ein gemeinsames A-cappella-Projekt habe. Wir kannten Ingo beide. Ich schon seit über zwanzig Jahren, weil er witzigerweise zusammen mit dem Ex-Wise-Guy Clemens Tewinkel in Köln Musik studiert hatte. Aber auch für Nils war Ingo kein Unbekannter. Als unser Gesangscoach Erik Sohn heiratete, der auch mit Ingo befreundet war (und es bis heute ist), legte Letzterer einen Auftritt hin, der uns total begeisterte.
Ingo war ebenfalls schnell und mit großer Vorfreude mit an Bord. Das war ein großartiges Gefühl! Jetzt fehlte nur noch der fünfte Mann. Und hier kam Björn ins Spiel, der uns erzählte, er kenne einen Sänger, mit dem er sich sehr gut verstehe und von dem er glaubte, er sei der richtige Mann für den Job bei uns: Ein gewisser Clemens Schmuck.
Es saßen also irgendwann (ich denke, es war im Spätsommer 2016) im Probenraum der Wise Guys (!): Nils, Björn, Ingo und ich, um einen Herrn Clemens Schmuck kennenzulernen und mal testweise ein paar Töne mit ihm zu singen.
Wie man sich heute sicherlich denken kann, verlief dieses Treffen, das ja offiziell ein "Casting" war, sehr, sehr positiv. Clemens hatte grundsätzlich total Bock auf die Geschichte, musste aber seine damalige berufliche Situation noch entsprechend organisieren. Nach ein paar Tagen hatten wir dann auch von ihm "grünes Licht", und die Besetzung der neuen Band war immerhin schon mal in trockenen Tüchern. Das war eigentlich das Thema, das mir im Vorfeld am meisten Bauchschmerzen bereitet hatte. Aber alles fühlte sich sehr gut und richtig an.
Was wir als nächstes brauchten, war ein Bandname. Für mich ein totaler "Flashback": Es bereitet mir keinerlei Probleme, Songs zu komponieren und zu texten. Aber einen guten, kreativen, interessanten, einprägsamen Namen für eine neue Band finden? Das fand ich schon damals unglaublich schwierig, als wir gegen Ende der Achtziger Jahre zu dem Schluss kamen, dass wir die Namen "Schulband" bzw. "Ääh... wir ham immer noch keinen Namen" (!) unbedingt würden ersetzen müssen. Wir landeten ja bekanntermaßen bei "Wise Guys" (das hat sicherlich irgendwie funktioniert, aber die beste Wahl war es leider nicht...).
Wir sprachen und "brainstormten" unglaublich viel, bis Nils irgendwann eines Abends im "Café del Sol" in Hürth (!!!!) die Idee hatte, dass wir uns "Alte Bekannte" nennen sollten. Einfach deshalb, weil wir uns untereinander, wenn auch nur in bestimmten Konstellationen, so gut kannten, dass es passte... abgesehen davon, dass wir alle Fünf ja für die meisten potenziellen Konzertbesucher und Fans irgendwie "alte Bekannte" sein würden – und diese Fans für uns auch! Gesagt, getan: Besetzung: Check. Bandname: Check.
Die Band war personell großartig besetzt, der Name war da. Und jetzt?
Jetzt begann die eigentliche Arbeit mit "Alte Bekannte". Geschäftlich war klar, dass die neue Formation weiterhin von Tine Grossmann, die das Wise-Guys-Büro bis zuletzt geleitet hatte, und von Christoph Tettinger, dem ersten Bass der Wise Guys und später dauerhaftem "Manager" oder, wie ich es manchmal wahrnehme, "Unternehmensberater", betreut werden würde.
Ein erstes Problem, vor dem wir in Hinblick auf den Start von "Alte Bekannte" standen, war das Folgende:
Wie schnell oder wie spät soll eine neue Band in der Öffentlichkeit erscheinen, die den Anspruch hat, das Erbe der Wise Guys anzutreten? Stehst du zu schnell "auf der Matte", interessiert es viele Fans noch nicht, weil sie weiterhin mit dem Abeschiednehmen von den Wise Guys beschäftigt sind. Aber lässt du zuviel Zeit bis zum Neustart verstreichen, kann es passieren, dass etliche Wise-Guys-Fans gar nicht mehr mitbekommen, dass es eine Nachfolgeband in gleicher Tradition und Formationsart gibt.
Wir entschieden uns für eine Art Mittelding: Das allererste Konzert von "Alte Bekannte" fand im Januar 2018 statt, also ein knappes halbes Jahr nach der allerletzten Wise-Guys-Show. Aus heutiger Sicht hätte der Abstand vielleicht doch etwas länger sein dürfen, aber solche Entscheidungen muss man eben treffen, bevor man weiß, ob man sie richtig sind.
Dass wir jedoch schon wenige Monate nach dem Ende der einen Band in der Lage waren, die erste CD und das erste Live-Programm der neuen Band auf die Beine zu stellen, war ein enormer Kraftakt:
Alle fünf Alte Bekannte, also Björn, Clemens, Ingo, Nils und ich, mussten über ein Jahr lang zweigleisig fahren. Während wir Songs für "Alte Bekannte" schrieben, arrangierten, im Studio aufnahmen, Fotoshootings machten, das Liveprogramm einübten, Klamotten und Bühnenbeleuchtung organisierten und vieles Anderes mehr, mussten Clemens und Ingo ihre natürlich weiterhin bestehenden anderen musikalischen Verpflichtungen durchziehen: Clemens unterrichtete weiterhin Gesang in Essen und Wuppertal und konzertierte noch mit INtrmzzo und Ingo hatte diverse Auftritte und Studioaufnahmen.
Wir anderen Drei befanden uns noch mitten in der Abschiedstour der Wise Guys, die nicht nur extrem umfangreich, sondern emotional aufgrund der besonderen Situation sehr belastend war. Zwar waren wir aufgrund der Vorfreude auf das "neue Projekt Alte Bekannte" alle in der Lage, diese "Doppeltätigkeit" zu dieser Zeit irgendwie zu stemmen. Aber aus heutiger Sicht glaube ich doch, dass das eine Belastung war, die man nicht so ohne Weiteres wegsteckt. Die Tatsache, dass Nils uns Ende 2020 verlässt, weil er einfach "definitiv genug" hat vom Musikerleben und vom Reisen und irgendetwas völlig Anderes machen will, hat ihre Ursachen sicherlich nicht nur, aber sicher doch zu einem Teil in dieser Phase.
Dennoch bin ich sehr glücklich darüber, wie gut dieser Übergang damals klappte. Das war vom ersten Moment an eine sehr gute Team-Leistung!
Alte Bekannte | Die Gegenwart
Zur Zeit, und damit meine ich "seit dem Lockdown im März 2020", ist die Situation für uns als Band... hmmm.... sagen wir: Herausfordernd. Ich möchte versuchen, das mal ein bisschen zu differenzieren:
Negativ ist natürlich der Umstand, dass wir seit März kein Konzert mehr gespielt haben. Und dass ist in vielerlei Hinsicht negativ: Wir verdienen kein Geld (das ist ein wirklich großes Problem). Aber es fehlt uns auch emotional, persönlich, bandtechnisch, auf Tour zu sein. Normalerweise ist das unser "Alltag", den wir lieben, und auch, wenn man mal einen Moment hat, in dem man es anstrengend findet, schon wieder im Stau oder in einer Hotel-Lobby oder vor einer noch verschlossenen Hallentür zu stehen: Es ist unser Leben!
Sehr negativ war und ist aber vor allem auch die Tatsache, dass wir so machtlos sind. Und das sind wir in jeder Hinsicht. Wir waren uns relativ schnell einig, dass Autokino-Konzerte, Wohnzimmer-Live-Streams und Konzerte unter Hygienebedingungen, die zwar sinnvoll und berechtigt sind, die aber in unseren Augen ein schönes Konzerterlebnis unmöglich machen, keine wirkliche Alternative darstellen. Wir waren und sind uns auch einig, dass wir nie um Almosen betteln würden.
Dazu kam unsere ganz spezielle Lage, dass Nils uns einerseits schon Ende letzten Jahres seinen unwiderruflichen Ausstieg mitgeteilt hatte und andererseits in Schleswig-Holstein durch die Situation, die räumliche Distanz und durch die Corona-Bestimmungen nicht in der Lage und auch nicht wirklich willens war, an der Arbeit von "Alte Bekannte" aktiv teilzunehmen.
Ihr seht schon: Das sind ganz schön viele einschränkende Bedingungen, die uns in den letzten Monaten begleitet haben und über die wir (konkret vor allem Clemens, Ingo und ich) wirklich unglaublich viel diskutiert haben. Wir haben versucht, die Zeit zu "überbrücken", indem wir auf Social Media aktiv waren und Sachen auf YouTube veröffentlicht haben: "Die wahren Helden 2020", "Deutsche Bahn", "Händewaschen", die Lagerfeuer-Sessions inklusive dreier Alte-Bekannte-Songs, die wir mit Instrumenten aufnahmen (sehr empfehlenswert!), zuletzt als Singles "Penny Lane" und "Nicht mein Zirkus" als Vorab-Single zum kommenden Album "Bunte Socken".
Damit sind wir auch schon auf der Schwelle zum Positiven: Wir hatten Zeit, kreativ zu sein. Wir hatten Zeit, das neue Album, unser drittes Studioalbum, wirklich in aller Ruhe aufzunehmen. Richtig Zeit. Ohne touren. Ich glaube, dass man das unserer kommenden CD "Bunte Socken" auch anhören und anmerken wird. Das Album klingt "ausgeruht", auch wenn wir während seiner Entstehung nie wirklich "entspannt" waren.
Ebenfalls absolut positiv an der aktuellen Situation ist für mich der Einstieg von Friedemann Petter bei "Alte Bekannte". Es ist einfach gut für eine Band, wenn jemand neu dazu kommt, der nicht nur wirklich Lust auf die Sache hat, sondern der auch aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Lebenssituation in der Lage ist, die Band zu bereichern. Friedemann hat all das, und witzigerweise löst er jetzt bei Alte Bekannte denjenigen ab, der 2009 genau diese positive Wirkung auf die Wise Guys hatte: Nils. Ich habe den Eindruck, dass es für alle Beteiligten und Bald-nicht-mehr-Beteiligten die perfekte Lösung ist.
Alte Bekannte | Die Zukunft
Ich glaube, dass wir unseren Weg gehen werden. Wir musizieren extrem gerne miteinander, wir sind uns unserer Stärken bewusst, und wir haben keine absurden Ziele. Wir möchten gerne viele Konzerte in schönen Locations machen, keine riesigen Massen-Events, einfach nur schöne Abende in überschaubaren Größenordnungen, die es erlauben, dass eine intime und familiäre Atmosphäre entsteht. Jeder Mensch, der ein Konzert von "Alte Bekannte" besucht, soll sich bei uns vom ersten bis zum letzten Song wohlfühlen!
Wir haben weiterhin ein gewaltiges kreatives Potenzial, das wir gerne mit Euch und mit so vielen Menschen wie möglich teilen wollen.